Alle Jahre wieder

Was bringt man normalerweise mit dem 1. April in Verbindung? Natürlich, Aprilscherze und ähnliches. Doch manchmal verbindet man auch traurige Erinnerungen mit solch einem fröhlichen Tag.

Manchmal kann ich gar nicht glauben, dass es jetzt schon fünf Jahre her ist. Fünf Jahre, in denen ich kaum einen Gedanken mehr an diese Zeit und an die Person verschwendet habe, der ich diese schöne Zeit, eigentlich zu verdanken habe. 
Fünf Jahre, das ist schon eine lange Zeit. War das wirklich im Jahre 2008? Es kommt mir so vor, als wäre es erst gestern gewesen, doch fünf Jahre sind wirklich eine lange Zeit. Wenn man einmal so darüber nachdenkt, was in der Zwischenzeit alles passiert ist... es kommt einem unwirklich vor, surreal. So, als ob etwas nicht in ein Schema passt. Aber fangen wir von vorne an.


Ich denke an den einen Tag zurück, als wir dich das erste Mal getroffen haben. Hielten wir euch beide doch für jemand anderen - das war der Grund, wieso wir auf euch zugekommen sind. Freundlicherweise habt ihr uns erlaubt, ein Stück mit euch mitzufahren, sind mit euch bis zur alten Sparkasse gefahren und haben uns verabschiedet. So fing wohl alles an.
Und ein paar Tage später dann; meine Freundin ruft bei mir an und erzählt mir von dir und deinen Pferden. So haben wir uns wieder getroffen. 

So begann der Sommer des Jahres 2007. Eigentlich ziemlich unspektakulär, wenn man mal so zurückdenkt. 

Tage und Wochen haben wir bei den Pferden verbracht, einfach nur geredet, entspannt und Träume gelebt. Die Tage wurden immer kürzer und die Nächte länger. Du meintest, du wartest darauf, dass das Wetter besser wird, damit du öfter mit den Pferden ausreiten kannst. Aber dazu sollte es nicht mehr kommen.
Im Winter also habt ihr die Pferde in einem Stall untergebracht, in dem ihr nicht wirklich willkommen wart. Nur mit Schrecken denke ich an die Gräueltaten mancher Einsteller zurück. Dir ging es immer schlechter, nur noch selten hattest du die Kraft, um bei deinen Lieblingen vorbeizuschauen. Meine Freundin und ich kümmerten uns immer mehr um deine Pferde. 
In unserer Naivität glaubten wir, dass du wieder gesund wirst, aber wie sollte das geschehen? Wir waren gerade einmal 13 Jahre alt, noch zu jung, um die Hoffnung an etwas zu verlieren.
Irgendwann im Januar oder Februar 2008 kam meine Freundin und meinte, dass du nur noch 'palentativ' versorgt werden kannst. Heute weiß ich, dass es palliativ heißt. Dass man wirklich nicht mehr geheilt werden kann oder es nicht will, wenn man schlussendlich palliativ versorgt wird. Aber damals wussten wir das doch nicht. 

Es war Ende März, 2008. Zwei Tage vor deinem Tod. Du wolltest deine Pferde unbedingt noch einmal sehen, aber meine Mutter wollte mir einfach nicht erlauben, vom Winterquartier der Pferde bis in unsere Stadt zu reiten. Die letzten Tage hatte es gestürmt und im Wald bestand die Gefahr, dass einige Bäume umfallen. Also ist meine Freundin alleine geritten. Zufällig haben wir uns getroffen. Ich werde nie das aufgeregte Wiehern deines Pferdes vergessen, als es dich ein letztes Mal gesehen hatte. Keiner wusste, wie schlecht es dir wirklich ging. Du wirst doch wieder gesund, dachte ich mir.-


Ein paar Tage später sahen wir deinen Lebensgefährten, wie er mit dem Hund spazieren ging. Er trug nur Schwarz und meine Mutter fragte mich, ob du wohl gestorben seiest. Ich dachte mir, nein, wieso auch. Das schaffst du doch.
Bis ich die Todesanzeige gelesen habe. Damit hätte ich nicht gerechnet. Oder wollten wir es einfach nicht wahrhaben? Nein, uns fehlten wohl einfach die nötige Lebenserfahrung und der Realitätssinn. Ich glaube, ich habe damals bittere Tränen geweint, obwohl wir uns fast nicht gekannt haben. Trotzdem fühlten wir uns alle wohl miteinander verbunden.

Am Tag der Beerdigung spielte meine Freundin Geige für dich. "Stellst du mir nachher den Notenständer hin?" Worte, die ich wohl nie vergessen werde, nie. So nahm die ganze Zeremonie ihren Lauf. Die ganze Zeit konnte ich die Tränen irgendwie unterdrücken. Wieso auch weinen? Ist das nicht etwas unangebracht, auf der Beerdigung einer Person, die du kaum gekannt hast? 
Aber als der Pfarrer mich dann fragte, wie mein Pflegepferd heißt, konnte ich die Tränen doch nicht mehr zurückhalten. Während dem Kampf mit mir selbst musste ich seinen Namen mehrmals (versuchen) aus(zu)sprechen, bis er ihn verstanden hat. 

Du hast dich immer und überall engagiert, das hatte der Pfarrer vorgelesen. Acht lange Jahre musstest du gegen den Krebs ankämpfen und hast schließlich verloren. Wieso müssen immer die guten Menschen gehen? Aber vielleicht sollte es einfach so sein.


Damals hatte ich meinen blauen Glasring an, einfach als Symbol, das mich ewig an diesen Tag und an dich erinnern wird. Heute ist er kaputt. Und ich weiß, dass nichts auf ewig währt. 

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