Abschied.

Da ist er nun, der Tag. Der vielleicht letzte Tag, man weiß es nicht. Aber es sieht nicht gut aus. Gar nicht gut. 

Es ging schnell. Ich bin froh, dass ich dir letzte Woche noch ein Video zeigen konnte, auf dem ich Saxophon gespielt habe. Du hast leicht gelächelt und gesagt "schön". Ich konnte dir eine letzte kleine Freude machen auf einem deiner letzten Tage. Und das bedeutet mir viel. Dass du sehen konntest, was aus mir wurde, dass ich Abitur gemacht habe, ein Studium abgeschlossen habe, Abteilungsleiterin wurde. Dass ich glücklich bin. Dass aus mir etwas geworden ist. Dass du einen Teil meines Lebens miterleben konntest. 

Schon Ende 2014 habe ich mich von dir verabschiedet und dachte, es wäre für immer. Ich war auf Raiffeisenbank-Seminar und du wurdest operiert. Am Herzen. Im Alter von 80 Jahren. Und ich war mir sicher, du würdest das nicht überleben. Dass ich dich jetzt gerade, im Krankenhaus in Würzburg, das letzte Mal gesehen habe. Und es fiel mir so unglaublich schwer, ich musste so unglaublich weinen. Zu wissen, dass man vielleicht zum letzten Mal im Leben die Hand eines anderen Menschen gehalten hat...

Aber es ging weiter. Bis heute. Und vielleicht bis morgen. Aber in dieser Woche... es wird Schluss sein. Irgendwann ist Schluss. Wir müssen Abschied nehmen. Und die Welt dreht sich weiter, als wäre nichts passiert. Als wärst du noch da, noch einer von uns, nur ein paar Meter entfernt. 

Mittlerweile habe ich mich damit abgefunden, bin reifer als damals mit 19 Jahren. Ich habe verstanden, dass es nicht ewig so weitergehen kann und wird. Auch wenn du dich immer wieder gefangen hast, es ging immer wieder bergauf nach allem, was du durchgemacht hast. Aber die Berge wurden immer kleiner, die Gipfel immer niedriger. Den hohen Berg konntest du nicht mehr erklimmen. Es wurde immer weniger. 

Und jetzt sind wir an dem Punkt, an dem ich hoffe, dass es einen Gott gibt, der auf dich aufpasst, dabei glaube ich doch gar nicht an Gott. Dass es da jemanden gibt, der dir die Angst nimmt, der da ist und dich beschützt. 

Den stärksten Menschen, den ich jemals kennengelernt habe. Der jede Hürde gemeistert hat, immer wieder gesund wurde, sich immer wieder aufgerappelt und weitergemacht hat. Aber auch für diesen Menschen ist es irgendwann vorbei. Aus. Vorbei. Ende. 

Du hast mich mit deinem Verhalten gelehrt, dass man stark sein muss, kämpfen muss, dann geht es weiter. Oft, aber nicht immer. Irgendwann ist Schluss. Aber bis dahin muss man aufstehen und weitermachen. Nicht aufgeben, kämpfen. Deswegen bist du noch hier, heute, und hast uns nicht schon 2014 verlassen. Fast 7 Jahre. 7 Jahre, die wir mehr hatten. Auch wenn wir nicht mehr viele gemeinsame Erinnerungen geschrieben haben und ich mich gar nicht daran erinnern kann, wie du früher warst, waren es 7 weitere Jahre für dich. 

Ich hoffe, dass du, wenn du von uns gehst, zu mir nach unten schaust und mich auf allen meinen Wegen begleitest. 


Und merkst, dass ich dich nie vergessen habe.

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