Unbegreiflich. Wie Zeit vergeht.

Heute. Heute Morgen um eins. Das ist jetzt 22 Stunden her. 

London. Stonebridge Park.


Vor 22 Stunden saß ich im Bus. Ich sehe mich noch dort sitzen. Links vorne, Fensterplatz. 

"Heute Abend werde ich zu Hause sitzen und nicht begreifen können, dass das heute ist. Dass ich heute Nacht, heute Morgen noch hier war. Dass das hier alles ein Tag ist. Das ist heute. Ich kann das nicht begreifen. Heute Abend sitze ich zu Hause und werde nicht begreifen können, dass das alles ein Tag war. Was man an einem Tag alles erleben kann."

Und jetzt sitze ich hier am Computer. In England ist es erst halb zwölf, in Deutschland schon halb eins. Deshalb bin ich mal so frei und tue so, als wäre noch Samstag, obwohl in Deutschland schon Sonntag ist. 

Ich kann es wirklich nicht begreifen. Ich könnte lachen und weinen, alles gleichzeitig, wenn ich daran denke, wie ich heute Nacht um ein Uhr im Bus saß. Und jetzt denke ich daran, an das, was ich im Bus gesagt habe. Eigentlich habe ich, als ich im Bus saß, daran gedacht, wie ich jetzt hier sitze und daran denke, wie ich im Bus gesessen habe. Verrückt oder?
Ich wusste, dass ich daran denken würde, wie es heute Nacht war. Was heute Nacht war. Dass das alles ein Tag war. Deshalb habe ich es gesagt. Im Bus. Deshalb habe ich gesagt "Heute Abend werde ich zu Hause sitzen und nicht begreifen können, dass das heute ist." Dass so viel, dass das alles an einem Tag passiert. Ich kann es nicht begreifen, ich kann es einfach nicht. Es kommt mir vor, als wäre es ein paar Tage her. Vielleicht gestern. Gestern Abend. Aber nicht heute Nacht. Definitiv nicht wie heute. Heute ist anders. Mein heute begann um dreiviertel acht. Mit Aufstehen, ins Bad gehen, Zähne putzen. Die letzten Stunden in London genießen, bevor um 15:30h Ortszeit der Flieger abgehoben hat. 
Da hat mein Tag Angefangen. Aber doch nicht nachts um eins. Oder um zwei. Als ich ins Bett gegangen bin. Das übersteigt schon fast meine Vorstellungskraft. 

Wenn ich mir vorstelle, wie ich heute im Bus in Stonebridge Park gesessen habe und an jetzt gedacht habe, verspüre ich ein komisches Gefühl. Etwas Wehmut und Trauer, wie schnell die Zeit vorbei geht. Und es ist einfach unbegreiflich. Wie ich heute Nacht noch im Bus saß und an jetzt gedacht habe. Und die Zeit läuft einfach unaufhaltsam weiter. Im gleichen Tempo. Man kann sie nicht anhalten und einfach dort bleiben. Einfach aufhören, weiterzumachen. Weitermachen. Ich mag nicht weitermachen. Ich würde lieber wieder zurück nach London, in den Bus, nach Stonebridge Park. Oder nach Harrow & Wealdstone. Da wo ich eigentlich hingehöre. 

Ich sehe mich selbst. Ich sehe den Bus. Ich weiß genau, wo ich gesessen habe. Ich kann mich selbst reden hören und mein Umfeld sehen, wenn ich nur daran denke. Heute Nacht. Ich hoffe nicht, dass ich das jemals vergessen werde. Einfach, weil es so unbegreiflich ist. Dass das alles ein Tag ist. Ich bin so froh, dass ich es gesagt habe. Diesen Satz. Dass ich heute Abend daran denken werde, dass das alles ein Tag ist. Und dass ich es nicht begreifen kann. Denn jetzt sehe ich mich selbst vor dem inneren Auge. Wie ich die Worte gesagt habe. Fast so, als hätte ich vor circa 23 Stunden in die Zukunft geschaut. Und jetzt schaue ich zurück.

Das ist krass, finde ich. Das ist wirklich krass. Ich kann es nicht begreifen. Wenn ich es könnte, würde ich keinen ellenlangen Text darüber verfassen, dass ich es nicht begreifen kann. Logisch irgendwie, oder?

Ich gehe jetzt ins Bett und hoffe, dass ich es nie nie nie vergessen werde. Nie. Einfach aufstehen, weitermachen, weitergehen. Und an die Nacht im Bus denken. An das Unbegreifliche. Unbegreiflich. Ich kapier es einfach nicht. Kann das sein? Kann man so verrückt im Kopf sein? Dass man es einfach nicht begreift? 

Gute Nacht jetzt. Ich werde immer daran denken. Immer. Das schwöre ich. 

Bei meinem Leben. 

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